Noch im letzten Jahr war unser Wunschzettel um einiges kürzer.
Das wird schon wieder.
Ein ruhigeres und besinnlicheres Fest ist auch mal schön.
Hauptsache gesund.
Hauptsache miteinander verbunden.
Aber ansonsten: Wunschlos glücklich!
Im letzten Jahr konnte bereits den Ersten eine Impfung angeboten werden.
Die Hoffnung auf ein Stück mehr Normalität im neuen Jahr keimte und wurde groß und größer.
Aber heute, kurz vor Weihnachten, da zeigt sich in vielen Begegnungen und Gesprächen die ganze Litanei an Wünschen, die sich im Verlauf des letzten Jahres angesammelt hat:
Einander wieder die Hand reichen, so wie früher.
Sich in die Arme nehmen, ohne schlechtes Gewissen.
Einfach so einmal wieder zusammenkommen, ohne abzuzählen und nachzurechnen, wer darf und wer darf nicht (mehr).
Einen Einkaufsbummel machen, einfach so, ohne Ängste und beklemmende Gefühle.
Verreisen, ohne Blick auf die Liste der bedenklichen Ziele mit Quarantänezeiten bei Ein- und Ausreise.
Eine Nachrichtensendung gänzlich ohne eine oder mehrere Eilmeldung zum Thema „Corona“.
Eine Runde im Freundeskreis ohne, dass Covid 19 als treuer Gast mit am Tisch sitzt und die Gespräche dominiert.
Aber es sind da ja auch noch die unzähligen anderen Wünsche:
Dass in der Klinik noch ein Bett frei ist, wenn ein lieber Angehöriger oder ich eines brauchen würde.
Dass die Pflegekräfte in den Krankenhäusern durchhalten.
Dass unsere Gesellschaft nicht auseinanderbricht.
Dass der Gedanke der Solidarität Brücken baut und Risse kittet.
Dass den Verschwörungstheorien dank der Vernunft doch noch irgendwann einmal die Luft ausgeht.
Wünsche in Hülle und Fülle.
Fein säuberlich aufgelistet auf den Wunschzetteln unserer Herzen.
Wunschzettel – so hat Andreas Knapp, Seelsorge rund Priester, Dichter und Poet, Geistlicher Begleiter und Mitglied der Gemeinschaft der „Kleinen Brüder vom Evangelium“ einen seiner im wahrsten Sinn des Wortes „knappen“ Texte überschrieben.
wunschzettel
in tausend wünschen
endlose jagd
nach hülle und fülle
sein wie gott
der aber
hegt nur
einen wunsch
den menschlichen menschen
einmal hat er sich selbst
diesen wunsch erfüllt
und wartet seidem
auf nachahmung(Andreas Knapp, Mit Engeln und Eseln, Würzburg, 5. Auflage, 2020, S. 119)
Wenn wir in diesem Jahr alles andere als „wunschlos glücklich“ sind, dann sind wir in guter Gesellschaft. Trotz seiner unendlichen Macht und unbegrenzten Fülle an Möglichkeiten ist auch Gott selbst nicht ohne einen Wunsch. Der, der scheinbar alle Wünsche erfüllen könnte, hat selber einen unerfüllten Wunsch im Herzen: „Den menschlichen Menschen“. Einmal hat sich Gott seinen Wunsch erfüllt. In Jesus von Nazareth ist wirklich ein menschlicher Mensch in diese Welt hineingeboren. So menschlich war dieser Mensch, dass er für viele einfach göttlich war. Sohn Gottes wird er bis heute genannt. Und die, die ihn kennengelernt haben behaupten „Nicht zu unrecht!“. Er lebte mit den Armen und Schwachen. Er setzte sich zu den Zöllner und Sündern mit an den Tisch. Er hob nie und nimmer einen Stein auf, um ihn nach anderen zu werfen. Er teilte sein Brot. Er reichte den Becher mit Wein. Er sprengte Mauern und Grenzen und wünschte Frieden von Anfang an.
Die Geburt dieses menschlichen Menschen feiern wir an Weihnachten. Und wer in die Augen des Kindes in der Krippe schaut, der spürt seine Liebe, aber auch seinen Wunsch und sein Bedürfnisse: Mensch! Werde auch menschlich, Mensch! Es reicht nicht, dass da einmal einer zur Welt gekommen ist, der gezeigt und gelebt hat, wie das geht, als Mensch ganz menschlich zu sein. Mach es wie ich! Werde Mensch!
Für mich steht dieser eine Wunsch Gottes über all meinen anderen Wünschen in diesem Jahr. Mit Gottes Hilfe, in Gottes Namen ein menschlicher Mensch werden. In die Nachfolge des Jesus Christus treten. Das tut Not, in dieser Zeit, an allen Orten dieser Welt.
Allen, die dies bereits im vergangenen Jahr ausprobiert und gewagt haben, denen sage ich von Herzen „Danke!“. Ohne so viele menschliche Menschen wäre unsere Welt, heute schon eine ganz andere, bei weitem weniger lebenswertere Welt. Lassen wir Gott nicht länger warten. Tun wir, was er getan haben. Geben wir der Liebe und der Menschlichkeit unser Gesicht.
Eine gnadenreiche Weihnacht wünscht Ihnen
Ihr
Rainer Remmele
Bild: Krippe von Sr. Animata Probst