Erinnerungsort für die Opfer des Nationalsozialismus in den Regens-Wagner-Stiftungen

In einem ehemaligen Wehrturm der Dillinger Stadtmauer wurde am 08. Mai 2023 der Erinnerungsort für die Opfer des Nationalsozialismus in einer Gedenkstunde gesegnet. Gleichzeitig zur Gedenkstunde und zur Segnung des Erinnerungsorts in Dillingen erinnerten Menschen mit und ohne Behinderung in den Regens-Wagner-Zentren mit einem gemeinsamen, verbindenden Rosen-Ritual an die Opfer des Nationalsozialismus in den Regens-Wagner-Stiftungen.

Der Erinnerungsort in der Erzbischof-Stimpfle-Straße vor der Direktion der Regens-Wagner-Stiftungen ist frei zugänglich.

Im Turm hat die Künstlerin Monika Stein aus dem Chiemgau eine dreiteilige Skulpturengruppe geschaffen, mit der sie dem unsagbaren Leid einen bildlichen Ausdruck verschafft. 

 

„Es kommt nie und nimmer darauf
an, was wir vom Leben zu erwarten
haben, viel mehr lediglich darauf:
was das Leben von uns erwartet.“
(Viktor E. Frankl)

Der Erinnerungsort ist ein mahnendes Zeichen für alle, die hier und heute leben: Gräueltaten wie die der Nationalsozialisten dürfen sich nie mehr ereignen. Wir alle tragen Verantwortung dafür.

Das erwartet das Leben und das erwarten die Lebenden von uns!

Zur Erinnerung

Wir erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus in den Regens-Wagner-Stiftungen.

Wir erinnern an die 731 Menschen mit Behinderung, 
die aus den Einrichtungen abtransportiert und in staatliche „Heil- und Pflegeanstalten“ gebracht wurden.
Das Schicksal von 235 Menschen ist bis heute unbekannt.

Wir erinnern an die 89 Menschen mit Behinderung,
die im Rahmen der Aktion T4 und weiterer Maßnahmen getötet wurden.

Wir erinnern an die 235 Menschen, die in andere „Wagnersche Anstalten“,
und an die 523 Menschen, die in weitere karitative Einrichtungen umverlegt wurden. 

Wir erinnern an die Menschen mit Behinderung, 
die dem Abtransport ihrer Mitbewohnerinnen und Mitbewohner, ihrer Freundinnen und Freunde zusehen mussten.
Wir erinnern an ihre Angst, ihre Trauer und ihre Einsamkeit. 

Wir erinnern an die Schwestern,
die den Abtransport der ihnen anvertrauten Menschen mit Behinderung nicht verhindern konnten.
Wir erinnern an ihre Ohnmacht, ihre Wut, ihre schlaflosen Nächte. 

Wir erinnern an die Eltern, Geschwister, Angehörigen der abtransportierten und getöteten Menschen mit Behinderung.
Wir erinnern an ihre Sorgen um ihr Familienmitglied, ihre Verzweiflung, ihre Ungewissheit und ihre Trauer.

menschen begegnen menschen

allein
verlassen
in der masse übersehen

die einen schauen weg
die anderen schauen hin
und ich?

menschen begegnen menschen

taxiert
bewertet
entwertet

die einen erheben die stimme
die anderen schweigen
und ich?

menschen begegnen menschen

abgeführt
vorgeführt
vorverurteilt
abgeurteilt

die einen wenden sich zu
die anderen wenden sich ab
und ich?

menschen begegnen menschen

belogen
hintergangen
verraten

die einen machen auf
die anderen machen zu
und ich?

menschen begegnen menschen

verlacht
bespuckt
gedemütigt
entwürdigt
aufs Kreuz gelegt

die einen reichen die hand
die anderen ballen die faust
und ich?

menschen begegnen menschen

ums leben betrogen
ums leben gebracht
unmenschlich
ohne namen
eine nummer
ein bürokratischer akt

die einen vergessen
die anderen erinnern
und ich?

(Rainer Remmele)

 

Informations-Flyer zum Erinnerungsort als Download (pdf. 2MB) »

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