Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihre Beschlüsse vom 20.10.2022 und vom 08.12.2022, die auch von der für uns zuständigen Regionalkommission in Bayern übernommen wurden, haben wir durchstudiert.
Mit diesem Schreiben bringe ich im Namen der Verantwortlichen der Regens-Wagner-Stiftungen unser Unverständnis, unseren Unmut, unsere Empörung und unsere Enttäuschung bezüglich des Tarifabschlusses im SuE-Bereich vom Oktober 2022 zum Ausdruck. Mit rund 7500 Mitarbeitenden bayemweit, davon ca. 70 % in Anlage 33 AVR Caritas eingruppiert, hat der Beschluss große Auswirkungen fiir unsere Stiftungen und die damit verbundenen Dienstgemeinschaften und unsere Angebote für Menschen mit Behinderung.
In Teilen der Mitarbeiterschaft vor allem auf Leitungsebene hat die eindeutig herauslesbare Zielsetzung, Personen mit Leitungsverantwortung im Blick auf die Zulagen bewusst nicht zu berücksichtigen, erhebliche Frustrationen bis hin zur Demotivation zukünftig Leitung zu übernehmen, hervorgerufen.
Wie schon des Öfteren wurden auch die Mitarbeitenden, die nach Anlage 2 AVR vergütet werden, bei der Tariferhöhung sträflich vernachlässigt. Seit über 10 Jahren war die Verbesserung/Anpassung der Anlage 2 (nach Überleitung in Anlage 33) von der Arbeitsrechtlichen Kommission angekündigt.
Wie stünden wir heute wohl da, hätten nicht gerade diese Mitarbeitenden in den Jahren der Corona-Pandemie für die Dienstgemeinschaft ein Höchstmaß an fachlicher Leistung und persönlicher Verantwortung erbracht. Es ist für mich unerklärlich, wie ein so gezielt ungerecht disponierter Tarifabschluss zustande kommen kann.
Gerne stellen wir Ihnen dies im Einzelnen dar:
Im Tarifabschluss wurde die SuE-Zulage für ausgewählte Entgeltgruppen in der Anlage 33 beschlossen. Beispielsweise bekommen Mitarbeitende in EG S 15 Ziffer 7 die monatliche Zulage sowie die Einmalzahlung, die Mitarbeitenden in EG S 16 gehen allerdings leer aus.
Wir haben mittlerweile einige Anträge von Mitarbeitenden in EG S 16 auf Zahlung der Zulage und Gleichbehandlung mit EG S 15 bekommen. Da wir uns aber an den Tarif halten und die Beschlüsse uneingeschränkt umsetzen, mussten wir diese Mitarbeitenden leider enttäuschen. Diese fühlen sich nun ungerecht behandelt, da in EG S 16 bei uns überwiegend Bereichsleitungen eingruppiert sind, di e oft außerhalb der Dienstzeiten und am Wochenende angerufen werden und bereitwillig und selbstlos Dienste übernehmen und einspringen, wenn der notwendige Personaleinsatz nicht abgedeckt werden kann.
Die Gewährung der SuE-Zulage ausschließlich für EG S 15 stellt für uns eine gewisse Ungerechtigkeit gegenüber den Mitarbeitenden in EG S 16 dar und wir würden es befürworten, wenn in der nächsten Tarifrunde diese Gruppe von der Arbeitsrechtlichen Kommission berücksichtigt wird.
Zudem wird durch den Tarifbeschluss die Anwendbarkeit der Wohnzulage auf moderne ambulante Wohnformen ausgeweitet. Im Beschluss heißt es dazu: "Ergänzt werden insbesondere Tätigkeiten in der ambulant unterstützten Einzel- oder Gruppenbetreuung, sofern diese als Präsenzleistung durchgängig für 24 Stunden täglich erfolgt. Der Einsatz in ambulanten Betreuungsangeboten muss dienstplanmäßig erfolgen. Eine lediglich punktuelle Betreuung im Sinne einer aufsuchenden Hilfe ist nicht umfasst.“
Aus unserer Sicht wäre es gerecht, auch Mitarbeitenden im ambulant begleiteten Wohnen außerhalb der 24-Stunden-Präsenzleistung die Wohnzulage zu gewähren, da sie aus unserer Sicht die gleichen Tätigkeiten an den Klienten verrichten und dieselben Belastungen haben, auch wenn die Betreuung nur für weniger Stunden am Tag stattfindet. Auch hier befürworten wir, dass die Lage der Mitarbeitenden in der nicht durchgängigen 24-Stunden-Präsenzleistung im ABW erörtert und bewertet wird.
Der Tarifabschluss vom 20.10.2022 stellt uns als Unternehmen vor ein großes Problem bzgl. der Refinanzierung. Es wird durch die Rückwirkung des Beschlusses auf den Juli 2022 bzgl. den Einmalzahlungen zu Verhandlungsproblemen mit den Leistungsträgem kommen, da diese Rückwirkung bei der jetzigen Refinanzierungsrunde mit den Leistungsträgem nicht eingerechnet ist.
In den letzten Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission standen - angesichts der unattraktiven Pflegebranche auch zu Recht - der Pflege- und SuE-Bereich im Vordergrund. Die Mitarbeitenden, die nach den Anlagen 32 und 33 AVR Caritas vergütet werden, haben hier sehr profitiert. Uns ist es ein Anliegen, dass in diesem Zuge die Mitarbeitenden in Anlage 2 AVR Caritas nicht vergessen und im Blick behalten werden. Dies auch gerade im Hinblick auf die schon heute geringe Attraktivität der Vergütungen im Vergleich zur freien Marktwirtschaft, bei dem wir aus unserer Sicht schon lange nicht mehr mithalten können. Wie oben aufgeführt, warten die Mitarbeitenden seit ca. 10 Jahren auf eine Angleichung.
Außerdem stellen wir fest, dass die Beschlüsse immer komplexer und vielschichtiger werden, sodass diese eine Leitung neben all den vielen anderen Aufgaben, nicht mehr umfassend und im Einzelnen präsent haben kann. Auch die Umsetzung bedeutet einen erheblichen bürokratischen Zeitaufwand. Uns ist bewusst, dass es auch immer um ein Verhandeln geht.
Die Regens-Wagner-Stiftungen bezahlen jährlich für die Finanzierung der Arbeitsrechtlichen Kommission eine erhebliche Umlage in Höhe von rund 64.000,00 €. Deshalb erwarten wir hierfür auch Beschlüsse, die möglichst eindeutig, gerecht und einfach umsetzbar sind.
Sie spüren die Emotionen, die der Tarifbeschluss der Bundeskommission vom 20.10.2022 im Bereich SuE in mir und in vielen Verantwortlichen der Leistungserbringer im Bereich der Eingliederungshilfe bis heute hervorruft. Es wird Zeit, im Rahmen der nächsten Tarifbeschlüsse die Verhältnisse wieder in ein gerechtes Gefüge zu rücken. So kann und darf es nicht weitergehen!
Wissend um die Komplexität Ihrer Aufgaben und Verantwortlichkeiten und dankbar für Ihr Engagement und Ihr Ringen um zielführende Entscheidungen
grüßt Sie
Rainer Remmele
Geistlicher Direktor