Sr. Gertraud Feihl (OSF) verstorben
Nachruf von Schwester Gerda Friedel mit Sr. Martina Schmidt und den Schwestern der Provinzleitung:
Ich habe Dich in meine Hand geschrieben (Jesaja 49)
Still und leise und begleitet von Mitschwestern gab
Sr. Gertraud (Johanna) Feihl, OSF
*2. Nov. 1929 +20. Juli 2022
ihr Leben in Gottes Hand zurück.
Sr. Gertraud wurde am 2. November 1929 in Unterwiesenacker, Kreis Neumarkt, geboren. Sie war das vierte der acht Kinder des Landwirtsehepaars Adam und Johanna Feihl und erhielt den gleichen Vornamen wie ihre Mutter. Von 1936 – 1942 besuchte sie die Volksschule in Oberwiesenacker, in der sich alle Klassen in einem Raum befanden. Anschließend besuchte sie bis 1945 das Mädchengymnasium in Neumarkt. Dort befand sie sich bei einem schweren Luftangriff gegen Ende des Krieges in absoluter Todesgefahr und rief: „Lieber Gott, wenn Du uns aus dieser Hölle befreist, will ich Dir mein Leben zur Verfügung stellen.“ Johanna kam unverletzt aus dem Trümmerfeld und Gott führte sie noch im Herbst zum weiteren Studium in die Lehrerinnenbildungsanstalt unserer Ordensgemeinschaft nach Dillingen.
Im November 1945 trat Johanna in die Kandidatur ein. In ihrem Lebensrückblick schrieb sie: „Gott nimmt mich als sein Geschöpf ernst: Er ist mir nahe, er führt und leitet mein Leben. Dieser Glaube wuchs und festigte sich in mir durch das Beispiel der Franziskanerinnen, die uns als Schülerinnen überzeugten: Ein Leben in der Nachfolge Jesu macht glücklich und lässt die Menschen froh sein.“ Ihre jüngere Schwester Frieda folgte ihr in unsere Gemeinschaft und erhielt den Ordensnamen Sr. Kunigunde.
1950 legte Johanna ihre 1. Lehramtsprüfung ab. Als Junglehrerin war sie bis zum Eintritt in das Noviziat 1952 an der Gehörlosenschule in Hohenwart eingesetzt. In einem Schreiben ihrer Oberin ist zu lesen: „Ihre Angehörigen freuen sich über den Beruf ihrer Tochter und sehen mit Erwartung dem glücklichen Tag der Einkleidung entgegen.“ Am 2. September 1952 legte sie ihre Erstprofess ab und war bis 1954 Volksschullehrerin an der Mädchenschule in Dillingen. Von 1954 bis 1956 absolvierte Sr. Gertraud an der Universität München die Zusatzausbildung zur Lehrerin an Schulen für hörgeschädigte Kinder, die sie mit „sehr gut“ abschloss. „Die durch großen Fleiß, geduldiges Wesen und gute Fachausbildung ausgezeichnete Lehrerin besitzt beste Eignung für den Unterricht an Gehörlosenschulen. Hervorragend!“, so lesen wir in ihrer Beurteilung der Regierung von Oberbayern.
Anschließend unterrichtete Sr. Gertraud 13 Jahre lang – bis 1969, an der Gehörlosenschule in Dillingen. Zusätzlich war sie von 1960 – 1969 Präfektin im neu errichteten Internat für Kandidatinnen. Viele Schwestern erinnern sich noch gern an die schöne Zeit im Internat und haben großen Respekt vor der Leistung, die Sr. Gertraud im Doppelberuf aufbringen musste.
1969 wurde sie in die Provinzleitung der deutschen Großprovinz gewählt und 1973 (Jahr der Provinzteilung) zur ersten Provinzoberin der neu gegründeten Regens Wagner Provinz. 12 Jahre – bis 1985, war ihr dieser Dienst anvertraut, in der sie mit Elan, Optimismus und Weitblick am Aufbau des Selbstverständnisses der RW-Provinz arbeitete. Ein Jahr meiner Noviziatszeit durfte ich bei ihr „Sekretärin bzw. Mädchen für alles“ sein und lernte dabei ihren Humor, ihre Spontanität und ihr mütterliches Wesen schätzen.
Von 1969 bis 1985 war Sr. Gertraud Mitglied im Verwaltungsrat des Regens Wagner Werkes. Zusammen mit Direktor Kohler und Herrn Loch hat sie in einer beispiellosen Intensivphase die Weichen für die Zukunft des Regens Wagner Werkes gestellt.
Sr. Gertraud war eine Netzwerkerin und konnte hartnäckig sein, um Gewünschtes zu erreichen – nach dem Motto von Regens Wagner: „Nur fester Wille führt ans Ziel.“ Viele unserer Schwestern hat sie für fachliche Ausbildungen ermutigt, damit Menschen mit Behinderung adäquat gefördert und begleitet werden konnten.
1985 führte ihr Weg ins Regens Wagner Zentrum Lautrach, wo sie 16 Jahre als Gesamtleiterin tätig war und eine Phase des Umbruchs und der Neuausrichtung der Einrichtung einleitete und mitstemmte. Noch heute berichten Mitarbeitende von der Wertschätzung, die Sr. Gertraud ihnen entgegenbrachte. 13 Jahre hatte sie zudem das Amt der Oberin inne. 1998 wurde sie für ihr engagiertes Wirken mit der Bayr. Staatsmedaille für Soziale Verdienste ausgezeichnet.
2001, im Alter von 72 Jahren, nahm Sr. Gertraud die Aufgabe der Vizepostulatorin im Seligsprechungsprozess von Regens Wagner an. Diese Herausforderung ließ sie wieder jung werden! Mit unerschütterlichem Forschungsdrang, Herzblut und Leidenschaft recherchierte sie in den Bayr. Staatsarchiven, den Archiven der Bistümer, der Kongregation sowie im RW-Werk und stellte eine 1505-seitige Dokumentation zur Vita von Regens Wagner zusammen, die heute Grundlage jeder weiteren Beschäftigung mit seiner Person ist. Für diese umfangreiche und fundierte Arbeit erhielt sie von allen Seiten, einschl. der Seligsprechungskongregation, höchste Anerkennung.
Sr. Gertraud organisierte Fußwallfahrten und brachte Regens Wagner und Theresia Haselmayr den Mitarbeitenden und Menschen mit Behinderung in den Regens-Wagner-Zentren und in Pfarreien nahe. Das Gremium in der Heiligsprechungskongregation sprach sich zwar einstimmig dafür aus, dass Regens Wagner alle Tugenden in heroischer Weise ausgeübt hat, die beschriebenen Wunder wurden allerdings nicht als solche anerkannt. Für Sr. Gertraud blieb das bis zuletzt ein großer Schmerz. Noch mit 90 Jahren schrieb sie Briefe nach Rom, auch an Papst Franziskus persönlich, und kämpfte für die Seligsprechung ihres geschätzten Vorbildes.
Zeit ihres Lebens trug sie viel Verantwortung: In der Kongregation und im Regens-Wagner-Werk. Ihre Sorgen und Anliegen trug Sr. Gertraud zu Gott, sie war eine fleißige Beterin. Täglich traf man sie nachmittags mit Sr. Animata beim Rosenkranzgebet in der Krypta an.
Nach einem schweren Schlaganfall im Oktober 2019 lebte sie in Gruppe „Martha“ des Pflegebereichs von Regens Wagner Dillingen.
Im Mai konnte sie noch ihr 70-jähriges Ordensjubiläum und den Schwesterntag mitfeiern und freute sich sehr über die Begegnung mit ehemaligen Weggefährtinnen.
Zu ihrer Familie hatte Sr. Gertraud immer einen sehr guten und regen Kontakt gepflegt. Ihren Angehörigen gilt unser herzliches Mitgefühl. Wir danken den Mitschwestern, insbesondere Sr. Animata und Sr. Judith, sowie dem Pflegepersonal für die liebevolle Betreuung und Wegbegleitung. Mit allen ihr nahestehenden Menschen, den Haus- und Dienstgemeinschaften der Regens Wagner Zentren Dillingen und Lautrach, den Konventen und Direktor Rainer Remmele trauern wir um Sr. Gertraud und sind dankbar für ihr franziskanisches Lebenszeugnis.
Im Rückblick auf ihr Leben fasste Sr. Gertraud einst zusammen: „Gott war immer gut zu mir, und ich war im Kreise lieber Mitschwestern immer gerne Dillinger Franziskanerin. Mit dem Gebet vieler Mitschwestern und einem frohen Alleluja hoffe ich, heimkehren zu dürfen zum Vater im Himmel.“ Sie war eine Frau, die ihr Leben lang Gott suchte. Wie denkt Gott? Wie ist Gott? - Diese Fragen trieben sie um. Ein Spruch von Regens Wagner ist ihr sehr wichtig geworden: „Führe uns so, allweiser Gott, dass jeder von uns sagen kann am Abend: Ich habe gelebt.“ Wir können darauf vertrauen, dass sie jetzt Gott schauen und spüren darf: Gottes Liebe ist unendlich groß und weit!
Den Auferstehungsgottesdienst feiern wir am Montag, 25.07.2022, um 14.00 Uhr in der Christkönigskirche in Dillingen, anschl. ist Beerdigung auf dem Friedhof in Dillingen.