Quo vadis Eingliederungshilfe? Zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder und deren Auswirkungen

Die Verantwortlichen der Regens-Wagner-Stiftungen begrüßen die Ankündigung der bayerischen Staatsregierung, bis zum Jahr 2028 insgesamt 180.000 neue Betreuungsplätze für Kinder in Bayern zu schaffen. Gleichzeitig weist Rainer Remmele, Geistlicher Direktor und Vorsitzender des Stiftungsvorstands, darauf hin, dass sich dieses erweiterte soziale Angebot der Kinderbetreuung nicht nachteilig auf Menschen mit Behinderung und deren berechtigte Bedarfe auf Assistenzleistungen im Sinne des BTHG auswirken darf.

„Es ist zu befürchten, dass eine Ausweitung der Kinderbetreuung einen Mangel von Hilfs- und Fachkräften für den Bereich der Eingliederungshilfe zu Folge hat.“

Attraktivere Arbeitszeiten (kein Schichtdienst, keine Arbeit an Wochenenden), verkürzte Ausbildungsangebote (Heilerziehungspflege fünf Jahre, Erzieherinnen- und Erzieherausbildung vier Jahre) und eine wesentlich höhere öffentliche Wertschätzung der Kinderbetreuung durch Gesellschaft und Politik lassen die Arbeitsangebote im Bereich der Eingliederungshilfe mehr und mehr verblassen und rücken diese in den Hintergrund.

„Der positive volkswirtschaftliche Aspekt der Eingliederungshilfe darf nicht übersehen und kleingeredet werden“, so Rainer Remmele. Im Blick auf all die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen und im Blick auf die Gewährung der Wahlfreiheit hinsichtlich der persönlichen Lebensentwürfe ist die Sicherstellung und der Ausbau von Angeboten für die Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe gleichbedeutend wichtig wie die Sicherstellung der Angebote für die Betreuung von Kindern.

Schon heute können bei weitem nicht mehr alle Nachfragen und Bedarfe der Betroffenen oder deren Angehörigen oder rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer erfüllt werden. Im Gegenteil: Es müssen auf Grund des Mangels an Personal Wohn- und Beschäftigungsangebote abgebaut oder gar geschlossen werden. Die Konsequenz:

Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderung erhalten weniger Chancen auf personzentrierte, selbstbestimmte Teilhabemöglichkeiten im Sozialraum. Dabei wächst die Nachfrage nach Assistenzleistungen stetig.

Rainer Remmele betont: „Auch die Angebote der Eingliederungshilfe stellen einen bedeutenden Faktor im Blick auf die von allen gewünschte und geforderte Vereinbarkeit von Familie und Beruf dar.“

Gut ausgebildete, professionelle, multifunktionale Teams sind im Bereich der Eingliederungshilfe genauso notwendig wie im Bereich der Kinderbetreuung. Ohne abgestimmte Personalgewinnungskonzepte, zu denen auch gezielte Anwerbekampagnen in weltweiten Partnerländern zwingend gehören, kann der immense Personalbedarf nicht gedeckt werden.

Die Ankündigung von der Ausweitung und Regionalisierung von Ausbildungsstätten (Berufsfachschulen für Kinderpflege, Fachakademien für Sozialpädagogik) bedeutet nicht automatisch, dass die dort geschaffenen Plätze auch tatsächlich von ausbildungswilligen Frauen und Männern besetzt und genützt werden. Ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs über den Wert der sozialen Arbeit, haupt- oder ehrenamtlich, ist längst überfällig und muss auf allen Ebenen geführt werden. Ein verbindliches soziales, gesellschaftliches Jahr für alle könnte dafür wertvolle Impulse liefern. Die Ausweitung des FSJ ist ein guter Weg dorthin.