Prälat Konstantin Kohler verstorben

„Dem Leben zu dienen und zu seinem Gelingen beizutragen, sehen alle, die in den Einrichtungen der Regens-Wagner-Stiftungen mitarbeiten, als Auftrag. Was dem Wohl der Menschen dienlich ist wollen wir ihnen angedeihen lassen.“
Diese programmatischen Worte standen im Mittelpunkt des Geleitworts von Direktor Konstantin Kohler für den Jahresbericht 1985/1986. Dieser christlich-franziskanische Geist prägte sein Leben und Wirken bis zuletzt und machte es reich an wertvollen Früchten. Am Donnerstag, den 27. April 2023, hat Gott Konstantin Kohler zu sich heimgerufen. Dankbar und getragen von österlicher Hoffnung nehmen wir, die Verantwortlichen der Regens-Wagner-Stiftungen, Abschied von Prälat Konstantin Kohler.
„Herr, auf dein Wort hin…“ (Lk 5,5) – so machte sich am 02.12.1939 in Kirchdorf, Landkreis Unterallgäu, Sohn der Landwirtseheleute Berta und Konstantin Kohler auf den Weg. Abitur, Studium der Philosophie und Theologie, Weihe zum Diakon und zum Priester, Kaplan in Kempten St. Lorenz, Präfekt am Bischöflichen Studienseminar in Kempten, das waren seine Stationen bis zum Jahr 1970. Eigentlich ein ganz normaler Werdegang für einen jungen Mann, der im Auftrag Gottes mit Wort und Tat das Evangelium verkünden und die Sorgen der Menschen im Gebet und in der Feier der Liturgie vor Gott tragen will.
In der sich damals fast revolutionär verändernden Gesellschaft und Kirche wuchs in dem jungen, wachen und aufgeschlossenen Theologen der starke Wunsch heran, den Menschen an sich besser zu verstehen und tiefer zu erkennen. Psychologie wollte er studieren , Psychologie in Münster. Interessenschwerpunkt: therapeutische Verfahren, Sozialpsychologie, Psychopathologie. Wie kann man das Evangelium heutig verkünden, wenn man nicht tiefer in die Seele des Menschen eintaucht. Konstantin Kohler suchte die Verbindung von Humanwissenschaft und Theologie. Er suchte neue Ansätze für die Pastoral, für die Begleitung und die Beratung auf den Wegen des Lebens.
„Herr, auf dein Wort hin…“ – nach einem kurzen Intermezzo als Männerseelsorger für die Diözese Augsburg übertrug ihm Bischof Dr. Josef Stimpfle die Aufgabe eines Regionaldekans für die Diözesanregion Memmingen-Unterallgäu und damit die Aufgabe über die Pfarreigrenzen hinaus Strukturen für neue Angebote aufzubauen: Jugendarbeit, Ehe und Familienseelsorge, Lebensberatung, Pastoralseminar, Erwachsenenbildung, Angebote der Diakonie und so manches mehr wurden durch diesen begabten Seelsorger im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils nachhaltig mit Leben erfüllt.
„Herr, auf dein Wort hin…“ – als Regionaldekan erlebte er am 19. Februar 1984 noch Prälat Wilhelm Hummel bei der Weihe der neuen Kirche bei Regens Wagner Lautrach. Nach dessen plötzlichem Tod wenige Wochen danach war es an Konstantin Kohler „Ja!“ zu sagen zu einem Neubeginn. Zum 1. Mai 1984 wurde er der 8. Nachfolger als Geistlicher Direktor bei Regens Wagner. Und wieder lautete der Auftrag an ihn, neue, den Menschen dienende pädagogische Konzepte zu entwickeln und zu implementieren, Lebensräume architektonisch und pädagogisch menschennah, auf der Höhe der Zeit, zu planen und umzusetzen, auch bei Regens Wagner den Grundstein für anerkannte Werkstätten im Sinne des damaligen Schwerbehindertengesetzes zu errichten, damit auch und gerade Menschen mit Behinderung selbstverständlich und alltäglich am Leben der Gesellschaft, in die sie hineingeboren sind, teilhaben können.
Situationen mussten reflektiert werden. Konzepte mussten angepasst und erneuert werden. Menschen mussten begeistert und mitgenommen werden, ihre Ängste und Sorgen mussten wahr- und ernstgenommen werden. Altes musste aufgegeben und Neues riskiert werden. Mit Sr. Gertraud Feihl, Sr. Ermelinde Brandl und mit Ludwig Loch an seiner Seite, begleitet und unterstützt durch die franziskanischen Leitungskräfte in den Zentren, wurden mit Wagemut und Gottvertrauen die Brücken in eine neue Zeit voll Umbrüche und Aufbrüche geschlagen. Bereits damals wies der Rückgang an geistlichen Berufungen eindeutig den Weg hin zu neuen Personalstrukturen: Neben 285 Ordensschwestern wirkten 723 weltliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Regens Wagner Einrichtungen. Bis zu seinem Ausscheiden wuchs die Zahl der Mitarbeitenden auf 2.215. Auch dieser Weg musste gewagt und gestaltet werden. Ein Konferenz- und Besprechungswesen wurde aufgebaut. Entscheidungen sollten im Miteinander reifen und nicht von oben verordnet werden.
Aktives Hinterfragen und konstruktive Kritik wurden zum Qualitätsmerkmal für Entscheidungsprozesse. Immer mehr Mitarbeitende mussten von den neuen Berufsfeldern angesprochen, dafür gewonnen und weiterqualifiziert werden.
Aufgaben- und Stellenbeschreibungen mussten formuliert und Organigramme entwickelt und dokumentiert werden. Fort- und Weiterbildungen mussten angedacht und angeboten werden. Vergütungen mussten abgesichert und eingefordert werden. Die Grundlage für die Dienstgemeinschaft im Dritten Weg musste gelegt und gelebt werden.
Verhandlungen mit der öffentlichen Hand, Gesprächstermine bei Behörden und in Verbandsgremien gehörten ebenso zum Tagesgeschäft wie die gottvollen und menschennahen Gottesdienste und geistlichen Impulse in ansprechender, den jeweiligen Mitfeiernden entsprechenden Gestalt und Form. Schnell wurde er zum wertgeschätzten Gesprächspartner und zum glaubwürdigen Ratgeber. Die Anliegen der Mitmenschen mit Behinderung hatte Konstantin Kohler stets vor Augen. Sie lagen ihm am Herzen. „Zuerst der Mensch und dann die Sache und Bürokratie“ war eines seiner Leitworte. Ein Miteinander auf Augenhöhe, getragen von gegenseitiger Achtung und Wertschätzung, zeichneten ihn aus. Darin verstand er sein Zeugnis für das Evangelium.
Als Bischof Viktor Josef Dammertz im Juni 1993 Konstantin Kohler zu seinem Generalvikar für die Diözese Augsburg erwählt hatte, da löste die Nachricht in Dillingen und bei Regens Wagner nicht nur Freude aus.
„Für diese neue Aufgabe waren die Jahre in den Regens-Wagner-Stiftungen ein weites Lernfeld. Die dabei zugewachsenen Erkenntnisse und Erfahrungen sind ein Kapital, das ihm in seinem neuen Dienst zugutekommen wird. Uns, die wir in der Behindertenarbeit stehen, freut es, dass jemand, der von der Denkweise und Emotionalität dieser Arbeit geprägt ist, in diesen Dienst der Kirche berufen wird.“ Diese Worte von Sr. Ermelinde Brandl drücken den Dank und den Stolz aus, der uns auch heute angesichts des Todes von Prälat Konstantin Kohler berührt und bewegt. Ihm zu begegnen, ganz gleich in welchem Amt und in welcher Funktion, war immer ein fachlicher, geistlicher, aber auch menschlicher Gewinn. In ihm hatten wir bis zuletzt einen freundschaftlichen und aufrichtigen Partner, der immer wusste, wo seine Lebenswurzeln Kraft und Energie regenerieren. Im Glauben an die Auferstehung bleiben wir mit ihm lebendig verbunden bis zum Wiedersehen am Ende unserer Tage.
Gott möge ihm all das Gute, das er uns geschenkt hat, vergelten.
„Herr, auf dein Wort hin …“ –
Im Namen der Regens-Wagner-Stiftungen
Sr. Gerda Friedel (Stiftungsratsvorsizende) und Rainer Remmele (Geistlicher Direktor)