Fastenzeit und Ostern 2017

Ostern muss ich erleben! 

Ostern ist!
Halleluja! 

Ostern kann ich mir
nicht ausdenken,
nicht anlesen,
nicht einreden (lassen).

Ostern muss ich erfahren
aus erster Hand,
am eigenen Leib,
mit meinem Herzen. 

Ostern erleben alle ganz anders:
Die drei Frauen,
Petrus und Johannes,
Maria und Thomas. 

Ostern ereignet sich
im Dunkel der Nacht,
im dämmrigen Nebel am frühen Morgen,
in der alltäglichen Vergeblichkeit. 

Ostern ist einfach da
plötzlich und unerwartet
überraschend und unvorstellbar
irritierend und doch (be-)greifbar. 

Ostern ist
Freude nach langer Trauer,
Begegnung in tiefer Einsamkeit,
Auferstehung im Niedergang,
Leben nach dem Tod. 

Ostern ist!
Halleluja! 

Von Herzen wünsche ich Ihnen im Namen der Regens-Wagner-Stiftungen ein Osterfest mit vielen lebensstarken Erfahrungen und Begegnungen. Ostern ist! Halleluja! 

Ihr
Rainer Remmele
Geistlicher Direktor

Bild: Sr. Animata Probst,
Text und Foto: Rainer Remmele

 

Ostersonntag

„So feiern wir das hoh‘ Fest mit Herzensfreud und Wonne, das uns der Herr scheinen lässt. Er ist selber die Sonne, der durch seiner Gnaden Glanz erleucht‘ unsre Herzen ganz; der Sünden Nacht ist vergangen. Halleluja.“

Martin Luther ist nicht nur der gelehrte Professor, der sein Wissen in theologischen Vorträgen und Vorlesungen redegewandt weitergibt. Er versteht sich auch auf die Sprache der einfachen Leute. Ihm ist es wichtig, dass er mit seinen Texten die Herzen der Menschen anrührt. Er weiß: nur was berührt, bringt in Bewegung und verwandelt die Welt. Das wünscht er sich auch für eine liebevolle, herzenskluge Kirche.

Martin Luther dichtet Osterlieder, von denen zwei heute noch im Evangelischen Gesangbuch stehen. In der 6. Strophe des Liedes „Christ lag in Todesbanden“ besingt er den Osterjubel, der ihn immer mehr selbst erfüllt. In seinem eigenen Leben hat er gerungen um diese Erkenntnis: Nacht, Schuld und Dunkel haben nicht das letzte Wort. Sondern „Herzensfreud und Wonne“. Zwei alte Worte, die wir heute nicht mehr gebrauchen. Irgendwie aber lassen sie etwas spüren vom österlichen Glück der Befreiung, der Hoffnung, des neu Anfangen Dürfens.

Welche Befreiung, welchen Neuanfang wünsche ich mir an diesem Jahr zu Ostern? In meinem Alltag, in meinem ganz persönlichen Unterwegssein? Frohe und gesegnete Ostern, auferstehungsleicht und hell!

Elisabeth Thérèse Winter

 

 

Palmsonntag

„Glaube und Liebe ist das ganze Wesen eines Christen. Der Glaube empfängt, die Liebe gibt.“ (Martin Luther)

Besucht man das Augustinerkloster zu Erfurt, kommt einem ein Stück lebendige Vergangenheit entgegen. Der wunderschöne, harmonische Kreuzgang im Innenhof strahlt Ruhe und Stille aus. Die kleine Zelle, die heute dem Besucher als die Zelle von Martin Luther gezeigt wird, ist reduziert auf das Wesentliche. Ein einfacher Betstuhl in der Mitte des Raumes, ein schmales Fenster zum Hof, eine enge Tür, die nach draußen führt.

In Erfurt ist Martin Luther als junger Mann ins Kloster eingetreten, hier hat er um existentielle Fragen gerungen: Worauf kommt es eigentlich an im Leben? Wofür lohnt es, sich einzusetzen, zu kämpfen? Was bleibt am Ende von aller Mühe? Und was zählt, wenn wir als Menschen Fehler machen und schuldig werden?

Da entdeckt Luther Worte, die ihm zu Schlüsselworten werden: Glaube und Liebe – das ist es, was zählt, was der einzige und wichtigste Kompass durchs Leben ist. Den Glauben, das Vertrauen kann ich nicht machen, aber ich kann darum bitten, dass er mir geschenkt wird. Die Liebe kann ich Tag für Tag üben, in hundert kleinen Handgriffen, guten Worten, versöhnlichen Gesten.

Entdecke ich für mich heute in dieser beginnenden Karwoche meine persönlichen Schlüsselworte für das, was mir im Leben kostbar und wesentlich ist?

Elisabeth Thérèse Winter

 

Fünfter Fastensonntag

„Martin Luther erzählte einmal: Zwei Kardinäle ritten über die Felder. Da sahen sie einen Hirten stehen und weinen. Einer der Kardinäle wollte den Hirten trösten und fragte ihn, was denn passiert sei. Da der Hirte sehr weinte und lange nichts sagen konnte, bekümmerte sich der Kardinal. Zuletzt hob der Hirte an und zeigte auf eine Kröte und sprach: Darum weine ich, dass mich Gott als so eine feine Kreatur geschaffen hat, nicht so ungestalt wie den Wurm, und ich das nie erkannt noch ihm Dank und Lob gesagt habe. Das traf den Kardinal so, dass er vom Maultier fiel und man ihn heimtragen musste.“

Da gehen einem Menschen die Augen auf. Durch eine kleine Begebenheit am Rand  wird dem Hirten plötzlich bewusst: es ist doch eigentlich ein Wunder, dass ich Mensch bin, dass ich lebe und atme, dass ich denke und fühle, dass ich die Welt gestalten darf, lieben und sprechen darf. Der Kardinal fällt gar vom Esel. So getroffen ist er von dieser Einsicht: Nicht Geld, Titel und Macht zählen und machen mich zu einem wertvollen Menschen, sondern das, was ich ohne Vorleistung von Gott geschenkt bekommen habe. Dafür sage ich viel zu selten „Danke“. Der Kardinal lernt vom einfachen Hirten.

Staune ich manchmal darüber, wie wunderbar mich Gott geschaffen hat? Mit welchen Möglichkeiten er mich ausgestattet hat? Diese Woche kann ich einmal bewusst dafür danken …

Elisabeth Thérèse Winter

 

Vierter Fastensonntag

„Wir sind immer auf dem Wege und müssen verlassen, was wir kennen und haben, und suchen, was wir noch nicht kennen und haben.“ (Martin Luther)

Eine gewisse Ruhelosigkeit spricht aus den Worten Luthers. Oft muss er in seinem Leben Veränderungen und Neuaufbrüche erleben. Er spürt, der Weg treibt ihn immer weiter. Aus seinem eigenen Gewissen heraus, aber auch wegen der vielen Auseinandersetzungen mit seinem Umfeld.  Da wachsen Ängste und Frustrationen, aber auch Hoffnungen und neuer Mut. Luther kämpft und ringt um seinen Weg. Veränderungen haben immer mit Loslassen zu tun, mit der Bereitschaft umzudenken, Vertrautes aufs Spiel zu setzen und sich dem Abenteuer des „Neulands“ zu stellen. Das ist manchmal schwierig und mühsam, aber im Rückblick zeigt sich dann oft, dass sich die Anstrengung gelohnt und der Weg einen neuen Sinn bekommen hat.

„Das Leben geht weiter als man denkt“ schreibt der verunglückte Sportler Samuel Koch im Blick auf seinen eigenen Weg.

Ich kann diese Woche einmal meinen eigenen Weg anschauen, die Veränderungen, die ich schon erlebt habe. Spüren, wo ich gerade stehe; ob ich gut zu Fuß bin, ob die Wege eben sind, ob ich Sinn und Ziel sehe, oder ob es mich zu Aufbruch und Veränderung drängt, ob mich Fragen und Zweifel begleiten, ob mich die Sehnsucht herausruft aus der Routine des Alltags …

Elisabeth Thérèse Winter

 

Dritter Fastensonntag

„Wenn die Seele das Wort hat, bedarf sie keines anderen Dings mehr, sondern sie hat in dem Wort Genüge, Speise, Freude, Frieden, Licht, Gerechtigkeit, Weisheit, Freiheit und alles Gute überschwänglich!“ 
(Martin Luther)

Luther ist ein leidenschaftlicher „Wort – Mensch“. Aber es sind nicht x-beliebige Worte, die er hier meint. Es gibt genügend Worte, die verletzen, die lähmen, die zerstören. Leben, Licht und Weisheit findet er in den Worten der Bibel, besonders in dem, was Jesus von Nazareth sagt, der Wanderprediger aus Galiläa. Zeit seines Lebens kreist Luther um die Bibel, um sie in die deutsche Sprache zu übersetzen; um sie zu verstehen, sie im Alltäglichen zu leben, sie weiter zu erzählen.  Er hat die Erfahrung gemacht: es sind gute Worte, die dem Leben dienen. Die Bibel, dieses „ewige Antreiberbuch“ (Peter Handke) ruft immer neu zum  Aufbruch, sie bringt zum Nachdenken, stellt Fragen, sie baut auf und ermutigt, tröstet, heilt und inspiriert.

„Komm wieder zur Ruhe, mein Herz, denn der Herr hat dir Gutes getan!“ Dieses Wort aus dem Psalm 116 hat Mitarbeiterinnen bei einem Besinnungstag besonders angerührt. Im Wiederholen solcher Worte steckt eine Kraftquelle, die aufbaut und über manches weiterhilft.

Welches Seelen- oder Trostwort brauche ich zurzeit, um Licht, Weisheit und Freude zu spüren?

Elisabeth Thérèse Winter 

 

Zweiter Fastensonntag

„Denn das Beten hilft uns sehr und macht ein fröhliches Herz; nicht wegen der Würde des Werkes, sondern weil wir mit unserem Herrgott geredet und ihm alles anheimgestellt haben.“ (Martin Luther)

Eine echte Befreiung ist diese Erkenntnis für Martin Luther: es geht beim Beten nicht um irgendeine Leistung oder Pflicht, sondern darum, das Herz vor Gott auszuschütten, grad so, wie es ihm zumute ist. Ehrlich, unverstellt, vertrauensvoll. Das macht ihm ein fröhliches Herz. Das heißt, nur ein Glaube, der in die Weite und Freude führt, ist ein kraftvoller, aufrechter Glaube. Luther muss um diese Einsicht lange ringen. Weil da so viele Zweifel und Ängste sind.

Wie geht es mir mit dem Beten? Hab ich überhaupt Zeit dafür? Mit dem Herrgott zu reden – das ist nicht selbstverständlich, weil wir ihn nicht sehen und oft auch nicht spüren können. Gleichzeitig ist es auch sehr einfach, wenn wir immer wieder für kurze Momente innehalten; die Augen schließen, wahrnehmen, was mich gerade bewegt, in einer schlichten Geste (z.B. die Hände öffnen zu einer Schale) Gott alles hinhalten, mit oder ohne Worte, ihm meinen Tag, eine schwierige Situation, eine Traurigkeit, oder auch eine große Freude übergeben, „Danke“ sagen, „Bitte“ sagen …

Diese Woche versuche ich meinen Alltag mit solchen Augenblicken immer wieder zu unterbrechen …

Elisabeth Thérèse Winter

 

Erster Fastensonntag

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemanden untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ (Martin Luther)

Ja, was nun, könnte man fragen? Sind wir jetzt frei oder nicht? Was will Luther sagen? Die Freiheit des Christen ist ihm ein zentrales Anliegen. Weil allein das Ansehen bei Gott zählt und seine Einschätzung, tritt vieles, was so wichtig scheint, in den Hintergrund. Wer frei ist, kann sich einbringen, kann Verantwortung übernehmen ohne sich abhängig zu machen.

Im konkreten Alltag bleibt es nicht aus, dass viele Aufgaben, manchmal unlösbare Konflikte auf mich warten. Es bleibt nicht aus, dass viele von mir etwas wollen. Ich spüre den Anspruch, dass ich am besten jedem gerecht werden soll. Ich spüre die Angst, nicht zu genügen. Da kann es helfen, mir immer wieder zu sagen: im Herzen will ich frei sein, darf ich frei sein, ich muss mich nicht restlos vereinnahmen lassen von meinen Sorgen und Ängsten, aber auch nicht von den Wertungen und Urteilen der anderen.

In dieser Woche lege ich mir gut sichtbar auf den Schreibtisch einen Zettel, oder trage ihn bei mir; auf dem steht:

„Ich bin frei!“

Elisabeth Thérèse Winter

 

Aschermittwoch

Fastenzeit – die Dinge wieder neu und anders sehen. Umdenken, Umkehren, Umparken im Kopf. Damit neuer Wind in Gedanken, Wort und Tat einziehen kann. Martin Luther – wir feiern 2017 sein Gedenkjahr – lädt uns ein, mit Eigensinn und Mut, mit Leidenschaft und Kraft aufzubrechen. Er hatte Träume und erlebte Niederlagen. Er suchte einen tragfähigen Glauben und stand fest zu seiner Überzeugung. Typisch für ihn ist das Symbol der Lutherrose; als Siegel verwendete Luther sie ab 1530 für seine Briefpost. In der Mitte ein schwarzes Kreuz, kraftvolles Zeichen der Erlösung. Das rote Herz erinnert daran, dass Gott das Herz des Menschen berühren will, mit seinen Emotionen, seinem Vertrauen, seiner Sehnsucht. Ganz bewusst ist die Rose in weißer Farbe gewählt – Luther hatte eine besondere Beziehung zur „Königin der Blumen“, denn sie zeigt, dass der Glaube Freude, Trost und Friede schenkt. Im Blauton spiegelt sich der Himmel wider und das goldene Band umfasst das Ganze.

Die Lutherrose ist wie eine Zusammenfassung seines Glaubens, seiner Theologie.

Heute kann ich mir mal überlegen, in welchem Symbol oder Bild ich meinen Glauben, meine Lebenssicht, meine Überzeugung  ausdrücken würde? Was wäre mir dabei wichtig?

Elisabeth Thérèse Winter