Advent und Weihnachten 2015 

 

Erste Adventswoche 2015

SchlüsselbundTüren 

Türen
verschlossen
von innen
von außen

Türen
die einsperren
die aussperren
die gefangen setzen

Türen
verriegelt
von dir
von mir

Türen
versperrt aus Angst
versperrt zum Schutz
versperrt zur Sicherheit

Wer hat den Schlüssel zu all diesen Türen?
Wer befreit uns aus unseren Gefängnissen?
Maranatha!
Komm, Herr Jesus!

 

Advent ist die Zeit der Türen und Türchen. 24 kleine Türen warten am Adventskalender darauf, dass ich sie öffne. 24 Türchen halten große und kleine kostbare Schätze für mich verborgen. Wenn ich sie öffne, dann führen sie mich jeden Tag aufs Neue ein Stück näher zum Geheimnis von Weihnachten.

Aber auch an so manch andere Tür sollte ich nicht vorübergehen.

Da ist die Tür, die mich einlädt, dass ich an ihr klopfe und bei einem Menschen um Einlass bitte und ihn besuche. Eine andere Tür wünscht sich, dass ich sie entriegle und sie öffne, damit Weite in mein Leben kommt. Vielleicht aber sollte ich auch eine Tür hinter mir endgültig schließen, damit ich vorankomme in meinem Leben. Manchmal stehen mir sogar ganz viele Türen offen und ich muss mich entscheiden, durch welche ich gehe.

Und dann gibt es da noch die Türen in meinem Leben, die ich nicht öffnen kann, die nur der andere öffnen kann, der, der den Schlüssel in Händen hat.

Das könnte die Tür zu einer Freundschaft oder einer Beziehung sein. Das könnte die Tür zur Versöhnung sein, die einen langen Streit beschließt. Das könnte die Tür zu einem langersehnten beruflichen oder privaten Wunsch sein.

Neben all diesen Türen gibt es noch eine ganz große Tür, die nur einer aufsperren kann: Gott!

Dietrich Bonhoeffer vergleicht die Zeit der Erwartung, den Advent, die Zeit, in der wir leben, mit einer Gefängniszelle:

„Eine Gefängniszelle ist ein ganz guter Vergleich für die Adventssituation; man wartet und hofft und tut dies oder jenes – die Tür ist verschlossen und kann nur von außen geöffnet werden.“

Dass Gott kommt, dass Gott zu mir kommt, das kann ich nicht machen. Dass Gott mich befreit aus meinem Gefängnis der Unsicherheit und der Angst, der Hoffnungslosigkeit und der Traurigkeit, das kann ich nicht erzwingen, das kann ich nur erbitten. Nicht umsonst rufen wir Christen im Advent:

„Maranatha! Komm, Herr Jesus! Öffne die Tür zu meinem Leben! Befreie mich!“

 

  • An welche Tür möchte ich in den kommenden Tagen klopfen?
  • Welche Tür würde mich erfreuen, dann, wenn sie sich auftut für mich?
  • Welche Tür zur Versöhnung sollte ich entriegeln?
  • Welche Tür sollte ich bewusst hinter mir schließen?
  • Durch welche Tür würde ich gerne schreiten?

 

Geheimnisvolle, spannende und aufregende Tage des Advents wünscht Ihnen

Ihr
Rainer Remmele

(Foto: Rainer Remmele)

 


Zweite Adventswoche 2015

Heilige Pforte


 Was macht dich heilig, Pforte?
Was macht dich heilig, Tür?

Du bist offen und nicht verschlossen
Du lädst ein und weist nicht ab
Du nimmst auf und schiebst nicht ab
Du lässt los und hältst nicht fest
Du gibst frei und schenkst Vertrauen
Du verzeihst und trägst nicht nach
Du bist großzügig und nicht kleinlich
Du erfüllst Sehnsüchte und Träume
Du schenkst Geborgenheit und Frieden

Das macht dich heilig, Pforte.
Das macht dich heilig, Tür.

Was will ich mehr?!

Heilige Pforte

 

In der kommenden Woche, am 8. Dezember, öffnet Papst Franziskus in Rom im Petersdom die Heilige Pforte. Mit der Heiligen Pforte öffnet sich weltweit die Tür zum „Heiligen Jahr der Barmherzigkeit“.

Auf den ersten Blick ist das Öffnen der Heiligen Pforte ein schlichtes Zeichen, keine spektakuläre Aktion. Näher betrachtet steckt hinter dieser einen, sich öffnenden Tür die Hoffnung auf viele andere Türen, die sich hoffentlich auftun.

Was kann alles in Fluss kommen, wenn ich an eine Tür klopfe und diese Tür tut sich für mich auf? 
Was kann in Bewegung kommen, wenn ich an einer Tür nicht abgewiesen werde, sondern freundlich und liebevoll hereingebeten werde?

Die Geschichte vom Barmherzigen Vater, das Evangelium im Evangelium des Heiligen Lukas, kann viel darüber erzählen. 
Es ist die Tür des Vaters, die wie sein Herz offensteht für seine beiden Kinder. 
Der Vater ist offen, dass jeder seiner Söhne seinen Weg ins Leben findet und geht. 
Der Vater ist offen, dass seine Söhne zu jeder Zeit zu ihm kommen können - in guten wie in schlechten Phasen des Lebens. 
Der Vater ist offen, dass jeder Sohn so frei ist zu kommen und zu gehen, wie es dem einzelnen beliebt, wie es dem einzelnen gut tut.

Bei allen Umbrüchen und Veränderungen des Lebens hat nur eines Bestand: Die Tür, die offen ist und offen bleibt. Diese offene Tür des Vaterhauses ist ein Zeichen für die Weite und Großzügigkeit des väterlichen Herzens. Die offene Tür des Gotteshauses ist ein Zeichen für die Weite und Großzügigkeit des göttlichen Herzens.

  • Welche Tür, welche Türen in meiner Lebensgeschichte würde ich heilig nennen? Warum?
  • Was erwartet Menschen, die vor meinen Türen stehen?
  • Was möchte ich konkret tun, damit in den kommenden Tagen des Advents Menschen bei mir auf eine offene, heilige Tür stoßen?

Vielleicht tut es uns gut, die Geschichte vom Barmherzigen Vater (Lk 15, 11-32) noch einmal in Ruhe zu lesen.


Voll Hoffnung, dass wir im Advent und im kommenden Jahr der Barmherzigkeit auf offene Türen stoßen, grüßt Sie


Ihr
Rainer Remmele

 (Foto: Petra Börner)

Dritte Adventswoche 2015

schön, dass du da bist!


Türe Irlandeintreten
die tür hinter mir zumachen
da sein
bei mir
mich umschauen

wahrnehmen, was ist
fühlen, was ist
spüren, was ist

hinabsteigen 
in die tiefe meines ich’s
stufe für stufe hinaufsteigen 
zu den höhen meines ich’s

vertraut werden mit mir
auf du und du

neu entdecken
wer ich bin
und 
wer ich nicht bin

ankommen bei mir
in meinem leben
im

ICH

 

 „Morgen gehe ich mich besuchen, hoffentlich bin ich zu Hause!“ 
Von Karl Valentin stammt dieses Wort, über das schon so Viele geschmunzelt haben. Schon so manchem aber ist bei diesem Satz auch das Lachen im Hals stecken geblieben. Wann hab ich mich wirklich das letzte Mal besucht? Wie lange ist das her, dass ich bei mir vorbeigeschaut habe? Wie oft gehe ich mir aus dem Weg? Wann nehme ich mir Zeit für mich, nur für mich, ganz alleine?

Es gehört Mut dazu, bei sich selber anzuklopfen. Es kostet Kraft, die Tür zu meinem Inneren vorsichtig zu öffnen und bei mir selber einzutreten. Vor mir davonlaufen ist leichter als ganz bei mir zu sein, mich anzunehmen und auszuhalten, so wie ich eben bin. 
Dabei wäre es so interessant, mich kennenzulernen.

Was ist aus mir geworden? 
Was macht das Leben zur Zeit aus mir? 
Bin ich mir noch sympathisch? 
Oder kann ich mich so wie ich bin gar nicht leiden?

Jeder Tag, jede Begegnung, jede Erfahrung hinterlässt Spuren in meinem Leben, in mir. Diese Spuren muss ich doch wahrnehmen. Diese Spuren darf ich doch nicht übergehen.

Was, wenn ich mir fremd werde? 
Was, wenn ich mich am Ende selber nicht kenne?

Schön ist es natürlich auch, wenn ich mich dank meines Besuchs bei mir neu schätzen und lieben lerne: Was aus mir nicht alles geworden ist? Ich staune! 
Wie ich dazu gewonnen habe durch all das, was ich gelebt und erlebt habe? 
Was ich nicht alles erzählen könnte, wenn ich mir nur ab und zu ein wenig Zeit nehmen und mir zuhören würde?

Und dann: Einfach mich in den Arm nehmen und mir ins Herz flüstern: Schön, dass ich da bin! Schön, dass Gott mich geschaffen hat!

Die Adventszeit bietet eine gute Gelegenheit wieder einmal bei mir vorbei zu schauen. 
Wie wäre es, wenn ich mich morgen besuchen gehe? Ob ich zu Hause bin oder nicht, das entscheide alleine ICH!

  • Ich nehme mir heute oder die nächsten Tage ganz bewusst Zeit für mich. 
    Wo will ich mich besuchen gehen? Wo kann ich mich gut öffnen?
  • Ich wage eine bestimmte Zeit des Alleinseins und höre in mich hinein. 
    Was nehme ich wahr? Was entdecke ich in mir, in meinem Leben?
  • Ich nehme mich an, so wie ich bin. Ich lasse zu, was ist. 
    Ich liebe mich, wie meinen Nächsten und freue mich an mir.
  • Ich nehme aus meinem Besuch mit, was mir weiterhilft auf meinem Weg zu mir, zu dir, zu Gott.


Wertvolle und anregende Besuche und Begegnungen wünscht

Ihr
Rainer Remmele

 

(Foto: Rainer Remmele)

 


Vierte Adventswoche 2015

KOMM MACH DIE TÜREN AUF
UND LASS DIE SONNE REIN

Krippeam morgen:
rollos hoch
fenster und die türen öffnen
LICHT und SONNE 
hereinlassen

warum?
LICHT schenkt LEBEN
SONNE gibt KRAFT

und untertags?
rollos runter
fenster und türen zu
NICHTS und NIEMANDEN 
an sich heranlassen

warum?
ANGST vor FREMDEM
ANGST vor NEUEM
ANGST vor BEGEGNUNG
ANGST vor BERÜHRUNG
ANGST vor VERWANDLUNG

die folgen:
KÄLTE
FINSTERNIS
EINSAMKEIT
ABLEBEN

darum:
Türe auf!
Sonne rein!
nicht ABLEBEN
AUFLEBEN

 

 

„Bitte nicht stören!“

Jedes Hotelzimmer wartet mit einem entsprechendes Türschild auf, das den Gast vor ungebetenen Besuchern schützt. Auch in manchen Behörden leuchten an den Bürotüren rote Lampen auf, die Menschen am Eintreten hindern sollen.

Klar, es gibt Zeiten, in denen ich nicht gestört werden will. Es gibt Stunden und Momente, in denen ich mit Recht darauf achte, dass ich konzentriert bei mir und meinen Aufgaben und Anliegen bleiben kann. Das ist auch gut so. Das ist solange gut, solange ich mich nicht einsperre und mich vom Leben aussperre.

„Bitte nicht stören!“ kann auch zu einem unguten Lebensmotto werden: Ich lass niemanden an mich heran. Ich halte mich aus allem heraus. Ich will nichts hören. Ich will nichts sehen. Ich will von nichts und niemanden berührt und angerührt werden. Wer so lebt, lebt ab und nicht auf. Leben braucht Öffnung und Offenheit. Leben entfaltet sich durch Begegnung. Leben erwächst aus Berührung. Natürlich werde ich auf diesem Weg nicht der Alte bleiben. Natürlich macht das alles etwas mit mir. Aber das ist ja Leben! Sich entwickeln, wachsen, reifen, immer wieder neu.

Die Herbergssuche von Maria und Josef macht deutlich: Wer sich verschließt, betrügt sich um das Geschenk des Lebens. Wer Fremde aussperrt, bringt sich um’s (neugeborene) Leben, damals wie heute.

  • Welche Begegnung brachte in den vergangenen Tagen Sonne und Licht in mein Leben?
  • Welche Ängste spüre ich im Blick auf offene Türen? Warum?
  • Wer klopft bei mir an, in der Hoffnung, dass ich öffne?

 

Belebte und belebende Adventstage voll Licht und Sonne wünscht

Ihr
Rainer Remmele

 Lied Komm mach die Tür auf

Bild: Krippendarstellung der St.-Lukas-Stiftung Bad Wörishofen, Foto Rainer Remmele
Lied: Text und Melodie Rainer Remmele

 

Weihnachten 2015 

Auf der Flucht - Auf der Suche

Von Nazareth nach Betlehem
Von Betlehem nach Ägypten
Von Ägypten nach Nazareth

Verfolgt
Vertrieben
Verjagt

Josef, Maria und das Kind

Verfolgt von fleißigen Bürokraten
Vertrieben von gewissenlosen Herrschern
Verjagt von untertänigen Soldaten

Josef, Maria und das Kind

Auf der Flucht
vor Gewalt, vor Hass, vor Tod

Auf der Suche
nach Frieden, nach Liebe, nach Leben

Josef, Maria und das Kind

Auf der Flucht
mit dem Kind im Arm
mit der Liebe auf dem Schoß
mit Gott am Herzen

Auf der Suche
nach einem Platz für das Kind
nach einem Platz für die Liebe
nach einem Platz für Gott

Josef, Maria und das Kind

Wo werden sie suchen?
Wo werden sie finden?
Was werden sie bei mir suchen und finden?
Frieden?
Liebe?
Leben?

Josef, Maria und das Kind

(Rainer Remmele)

 

Weihnachten damals wie heute bietet keine Idylle. Weihnachten ist rücksichtslos realistisch: Wer die Kreise der Mächtigen stört, wird vertrieben. Wer unbequem werden könnte, muss weichen, ganz gleich ob Mensch, ob Gott. So steht es geschrieben. So haben sie es erlebt: Josef, Maria und das Kind.

Und so erleben es gerade in unseren Tagen Millionen von Menschen.

Wir können Weihnachten nicht feiern, ohne uns vom Schicksal der Familien anrühren zu lassen. Weihnachten will uns verwandeln, damit immer mehr Menschen ein Daheim und eine Heimat finden – auch bei uns.

Von Herzen sagen wir Ihnen Dank für Ihre Unterstützung unserer Aufgabe, Menschen mit Behinderung einen Platz zum Leben zu eröffnen. Weihnachten 2015 möge uns alle ermutigen, in den Herausforderungen die Chancen zu erkennen.

Gesegnete Weihnachten!

Pfarrer Rainer Remmele
Geistlicher Direktor

(Foto: Relief „Josef, Maria und das Kind“ getöpfert von Maria Rist, Magnus-Werkstätten Regens Wagner Holzhausen)