Wenn der Funke überspringt ...

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Nachruf auf J. E. Wagner

Am 10. Oktober 1886 stirbt J. E. Wagner nach mehr als einjähriger Krankheit. Seine Trauerfeier, über die auch die Augsburger Postzeitung berichtet, war eine Würdigung seiner Verdienste für die Kirche und für Menschen mit Behinderung, aber auch eine „Demonstration“ seiner Wertschätzung und Verehrung in der Bevölkerung weit über Dillingens Grenzen hinaus.

Abbildung Originaldokument (Auszug):

Nachruf auf J. E. Wagner

Übertragung des gesamten Dokumens: 

Regens Wagner †.

„Oliva fructifera in domo Domini[1].”
(Ps. 50, 10.)

n Einen solchen Leichenzug hat Dillingen wohl noch nie gesehen, wie den, welcher am 13. Oktober laufenden Jahres Nachmittags 1–2 Uhr die sterbliche Hülle des mit vollstem Rechte allgemein hochverehrten Herrn geistlichen Rathes und Regens Johannes Evangelista Wagner zur Grabesruhe geleitete, welcher Gottesmann im 79. Jahre seines hochverdienstvollen Lebens nach langem körperlichen Leiden und häufigen Empfange der heil. Sacramente am 10. Oktober laufenden Jahres fromm und ergeben, wie er stets gelebt, sein irdisches Leben und sein wahrhaft apostolisches Wirken beschlossen hat. Bei vorzüglichen Talenten und Kenntnissen und dem besten, liebevollsten Herzen war auch die ganze äußere Haltung des theuren Verstorbenen so würdig, so edel, so milde und gütig, daß er wohl mit einem Johannes dem Apostel und Evangelisten, mit Franz von Sales, mit Vincentius von Paula verglichen werden kann.

Wir überlassen es Andern, seine hervorragende wissenschaftliche Begabung, seinen heiligen Eifer für Alles, was gut, löblich, erbaulich und heilsam ist, seine Virtuosität in der Homilia und Katechese, seine Andacht erweckende Thätigkeit am Altare, sein gesegnetes Wirken im Beichtstuhle und am Krankenbette, seine väterliche Sorge für seine lieben Alumnen, seine Trost und Hilfe bietenden Leistungen gegenüber den tausendfachen Nöthen des Lebens – besonders für die Taubstummen und die Kretinen – zu schildern.

Als Seminarvorstand verstand er es namentlich, durch sein Wort und Beispiel, seine Entsagung und Milde den mit Ehrerbietung auf ihn horchenden jungen Männern sowohl praktische Theologie zu dociren, als auch sie wahrhaft für die Religion und deren heiligen Dienst zu begeistern, und zwar nicht nur für den Rahmen, sondern für das Bild, die heilige Sache selber.

In seinem so vielseitigen Wirkungskreise als Priester, Lehrer, Vorstand, Rathgeber, Helfer und Retter, dem sich der Verklärte mit vollster Aufopferung hingab und der sich zusehends noch erweiterte, fand er allgemach kaum noch ein wenig Zeit zur Ruhe und der Schlaf wurde immer mehr zurückgedrängt; er genoß dabei sehr wenig Speise und trank bis auf die letzten Jahre in der Regel nur Wasser. Und so sorgte und wirkte er so lange, bis es ihm nicht mehr möglich war.

Während indeß sein Geist noch klar und frisch war und sein heiliger Eifer noch immer nicht ruhen wollte, lähmten wiederholte Schlaganfälle seine körperliche Kraft, und sein Krankenpfleger, ein wahrhaft „barmherziger Bruder“, mußte ihn wie ein Kind heben und legen, und er that es mit wahrhaft aufopfernder Liebe.

Nach einer harten, mit himmlischer Ergebung durchgemachten Leidensperiode hat endlich sein und unser Herr und Heiland, dem er stets mit felsenfestem Glauben, unerschüttertem Vertrauen und thätiger Liebe gedient hatte, seinen Diener von hinnen abberufen, wohl um demselben im Kreise der Seligen den wohlverdienten Lohn zu geben.

Auf diesen edlen Mann und Priester dürfen nebst den Worten unseres Motto’s wohl auch die biblischen Worte bezogen werden: „Er war beliebt bei Gott und den Menschen.“

Mittwoch den 13. Oktober Nachmittags 1 ½ Uhr fand unter großartiger Betheiligung von Clerus und Volk das Leichenbegängniß statt. Der Leichenredner, Herr Domdekan Dr. Thalhofer von Eichstädt, der dem Verklärten viele Jahre namentlich als Subregens und Professor in Dillingen besonders nahe stand, gab aus gerührtem Herzen ein lebensvolles Bild des Unvergeßlichen in seiner Hochehr- und liebenswürdigen Persönlichkeit und seiner Wirksamkeit, die ein wahres heiliges Opferleben war. Nach der tiefen Eindruck machenden Rede, die ebenso des Defuncten, als des Redners selbst würdig war, und Vollendung der kirchlichen Function wurden Namens des Hochwürdigsten Hrn. Bischofs und des Bischöflichen Domcapitels Augsburg, dann des Benediktinerstiftes St. Stephan in Augsburg großartige Trauerkränze auf Wagner’s Grab gelegt, und hier kam seine sterbliche Hülle in die neu hergestellte Grabgruft, in welcher einst die Leiche seines würdigen Vorgängers Schlichting († 1843) eingesenkt worden war.

An dem großartigen Leichenzuge betheiligte sich nicht nur der hochwürdige Clerus von Nah und Fern – aus Bayern und Württemberg in überraschend großer Anzahl – fast die gesammte Bürgerschaft von Dillingen und überaus viel Landvolk, sondern auch – als Vertreter des Hochwürdigen Hrn. Bischofs Pankratius und des bischöflichen Domkapitels Augsburg – zwei Herren Domkapitularen, viele Herren Offiziere, Beamte, Professoren und Lehrer, dann Vertreter verschiedener – namentlich der von Wagner in’s Leben gerufenen und von ihm unter Hingabe all seines Einkommens und Vermögens unterstützten milden Institute, sowie Freunde und Verehrer aller Art. Die Sänger Dillingens widmeten dem Gefeierten einen würdigen Grabgesang. Nicht minder feierlich wurde am folgenden Tage der kirchliche Trauergottesdienst abgehalten, wobei Hr. Domkapitular Soratroy von Augsburg das Requiem celebrirte. Aber in Dillingen und in der ganzen Diözese Augsburg wird man noch lange mit dankbarer Verehrung des lieben Regens Wagner gedenken.

Zum Schlusse dieser Zeilen sei es noch gestattet, den Versuch einer Grabinschrift hier anzufügen:

Ecce sepulchrum
viri vere apostolici ac evangelistae:
Venerabilis Domini
Joannis Evangelistae Wagner,
Consiliarii ecclesiastici, Seminarii clerici Dillingani Regentis, antea theologiae
professoris etc.
de utraque republica meritissimi, cujus obitum deplorat cum
sancta ecclesia cara patria.
Natus erat die V Decembris 1807.
Ad superos vocatus die X Octobris anni currentis.[2]

[1] Übersetzung: Ein fruchtbarer Olivenbaum im Haus des Herrn. Korrekte Stellenangabe: Ps 52(51),10.
[2] Übersetzung: Sieh, das Grab eines wahrhaft apostel- und evangelistengleichen Mannes: Des Ehrwürdigen Herrn Johann Evangelist Wagner, Geistlichen Rats, Regens des Klerikalseminars Dillingen, zuvor Professors der Theologie usw., eines um beide [= kirchliches und weltliches] Staatswesen verdienten [Mannes], dessen Tod das liebe Vaterland zusammen mit der heiligen Kirche beweint. Er wurde am 5. Dezember 1807 geboren. In den Himmel [wörtlich: zu den Bewohnern des Himmels] gerufen [wurde er] am 10. Oktober des laufenden Jahres.

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