Wenn der Funke überspringt ...

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Briefe zur Berufung J. E. Wagners als Regens 

Der Briefwechsel zwischen Bischof Pankratius von Dinkel und J. E. Wagner zeigt, wie schwer J. E. Wagner für sein neues Amt als Regens zu gewinnen ist. Mit seiner Zusage beginnt jedoch eine Zusammenarbeit, die für die vom Bischof angestrebte geistliche Erneuerung seines Bistums ebenso wie für Wagners Wirken für Menschen mit Behinderung von großer Bedeutung ist. Diese Briefe sind nur der Anfang eines umfangreicheren Briefwechsels zwischen den beiden kirchlichen Amtsträgern. Sie zeigen das vertrauensvolle Verhältnis der beiden Persönlichkeiten und die Situation der Kirche in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Abbildung Originaldokument (Auszug):

 

zweiter Auszug der Briefe zwischen Johann Evangelist Wagner und Bischof von Dinkel

Übertragung:

 

Augsburg, 14. Juni 1863.

Mein lieber Herr Geistliche Rath!

Ich warte nun mehrere Wochen mit Schmerz auf eine endliche Erklärung in bewußter Angelegenheit. Aus der Zögerung muß ich den Schluß ziehen, daß der Entscheid Sie viele Unruhe und Sorge koste. Allein ich kann auch nicht länger mehr zuwarten und ersuche Sie denn um ein endliches Ja oder Nein. Sprechen Sie sich aus mit aller Offenheit, so recht aus dem Herzen heraus, ganz so, wie es Bräutigam und Braut beim Abschluße ehlichen Bündnisses thun müssen, – „ungezwungen, ungedrungen“. Bis ich zur Ordination nach Dillingen kommen werde, muß ich den künftigen Regens meines Seminars creirt haben. Wenn ich nun von Ihrer Seite abschlägige Antwort erhalten sollte, erübrigt mir wenig Zeit mehr, nach einer andern Persönlichkeit mich umzusehen. Jedenfalls halten Sie sich versichert, daß ich, so groß auch mein Verlangen, Sie als Regens zu besitzen, im Falle einer verneinenden Antwort dernämliche sein werde, der ich Ihnen bisher gewesen, – der mit wärmster Verehrung und Liebe

Ihnen zugethane Bischof

† Pancratius.

 

Gnädigster Herr!

Ich erkenne und fühle wohl, daß ich Eure Bischöfliche Gnaden zu lange ohne Antwort ließ auf das letzte so wohlwollende, väterliche Schreiben; ich bereue es und bitte inständig um Verzeihung. Was mich aber so lange vom Schreiben abhielt, waren nicht etwa neue Bedenken; – außer jenen in meinem ersten Briefe angeführten, in der Untüchtigkeit meiner Persönlichkeit gegründeten hatte und habe ich keine andern, und wenn nach der offenen Darlegung derselben, an der ich kein Wort zurücknehmen kann, Euer Bischöfliche Gnaden mich dennoch senden, so gehe ich. Ich hatte also für mich keine Bedenkzeit mehr nöthig, aber ich glaubte – meinem hohen, wohlwollenden Gönner Zeit lassen zu sollen. Ich dachte nämlich so: ohne Zweifel wird der Plan Eurer Bischöflichen Gnaden in Hinsicht der Besetzung der Regentie in weitern Kreisen bald bekannt werden; es werden Bedenken, Bemerkungen, Einwendungen und anderweitige Vorschläge laut werden – leicht möglich, daß die Erwägung derselben die Wahl Eurer Bischöflichen Gnaden auf einen Andern lenkt; denn bei der großen Menge des Diözesan-Clerus könnte sich ja recht leicht auch dem kundigsten Auge des Hirten der rechte Mann entziehen, wie David anfangs dem Auge Samuels unter seinen großen Brüdern – und da wollte ich nicht durch ein vorschnelles Ja einem Andern den Weg verlegen, oder dem schonenden Gemüthe Eurer Bischöflichen Gnaden die Designation eines Würdigern erschweren; im Falle aber sich Euer Bischöfliche Gnaden dennoch mit mir begnügten, könnte ich um so vertrauensvoller darin den Willen Gottes erkennen, und also auch um so zuversichtlicher hoffen, daß Derjenige, der mich durch meinen Hochwürdigsten Oberhirten berufen, zum Amte auch die Gnade geben werde, damit die Priesterzöglinge durch mich nicht zu Schaden kommen. Ich stehe also vollständig zur Disposition meines Hochwürdigsten Bischofs: sagen Hochdieselben: Komm, so komme ich; und sagen Sie: Bleib, so bleibe ich – fiat mihi secundum verbum Tuum[1]. Amen.

Alles Weitere erwarte ich getrost von den mündlichen Bestimmungen, wenn Euer Bischöfliche Gnaden zu den hl. Weihen hieherkommen.

In tiefster Ehrfurcht und wahrester Liebe

Eurer Bischöflichen Gnaden totus quantus servus et cliens[2]

Johann Evangelist Wagner.

Dillingen 16. Juni 1863

[1] Übersetzung: Mir geschehe gemäß deinem Wort (Vgl. Lk 1,38).
[2] Übersetzung: ganz und gar Diener und Gefolgsmann.

(Quelle: Augsburg, Archiv des Bistums Augsburg, PS 2237 ([1]–[6]); PS 2232 ([7]).)

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